In einem kleinen Apfel...

Denke ich an meine Schulzeit zurück, so fällt mir zunächst die drangvolle Enge des viel zu kleinen Schulhauses ein: 1958 waren wir 39 Schüler in der 7. Klasse und drückten uns in engen, fest verschraubten Bänken, die heute keiner Prüfung für altersgemäße Schulmöbel standhalten würden. Daß dieser Zustand nicht von Dauer sein konnte, darüber war sich auch die Schulleitung im klaren, und so wurden wir gleich am ersten Schultag beruhigt: "Am Ende des Schuljahres bleiben erfahrungsgemäß ohnehin nur noch 29 Schüler übrig", erklärte Herr Dahrendorf, unser Klassenlehrer. Und er sollte recht behalten.In der 9. Klasse diente uns der Umkleideraum der Turnhalle als Klassenzimmer. Das brachte viel Unruhe mit sich, denn wir konnten erst mit dem Unterricht beginnen, wenn die Schüler zum Sportunterricht umgezogen waren. So ist mir das Lied "In einem kleinen Apfel" als Klavierstück - mit Variationen - in Erinnerung geblieben: Damit leitete Frau Senger, die Sportlehrerin, jeweils ihre Gymnastikstunde ein.Diese räumliche Enge der Schule bewirkte aber auch ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl aller Schüler. Man kannte jeden mit Namen, hatte Kontakt zu fast allen Mitschülern, nahm regen Anteil an den Problemen der anderen, und man war sehr hilfsbereit untereinander.Kurz, man bildete eine feste Schulgemeinschaft, die heute in der Schule, aus welchen Gründen auch immer, häufig nicht anzutreffen istZu der besonderen Prägung der Schule trugen sicherlich viele gemeinsame Unternehmungen bei, so die Auftritte des Schulchores oder die Morgenandacht, die in unregelmäßigen Abständen montags in der ersten Stunde in der Aula stattfand. Es wurde gesungen, musiziert, und Frau Schwenzner, die Direktorin, las und interpretierte jeweils einen Teil der Bergpredigt.Erscheinen war Pflicht, auch wie man zu erscheinen hatte, war vorgeschrieben. So erinnere ich mich noch gut daran, daß ich eines Morgens im Februar bei dichtem Schneetreiben nach Hause geschickt wurde, weil ich lange Hosen anhatte und lackierte Fingernägel. Ein solcher Aufzug war für eine Schülerin der 9. Klasse bei der Morgenandacht unerwünscht und dem Anlaß nicht angemessen. Ich mußte mir daher einen Rock anziehen und den Nagellack entfernen, was weder bei meiner Mutter noch bei mir Empörung hervorgerufen hat; ich hatte die Morgenandacht einfach vergessen. Daß man gewissen Zwängen unterworfen war, wurde nicht in Frage gestellt.Jutta Bajohr (Abi 66)