Ich besuchte die Lehwess - Schule von Ostern 1916 bis Ostern 1919. Das verstand sich fast von selbst, denn wir wohnten nur 5 Minuten von ihr entfernt, in der damaligen Gertrudstraße, jetzt "Palmzeile" benannt.Die Schule war ganz überwiegend Mädchenschule; Jungen waren nur für die ersten drei Vorschulklassen (die 10., 9. und 8. Klasse) zugelassen, und auch in diesen kamen auf durchschnittlich 15 - 20 Mädchen nur etwa 3 oder 4 Jungen.Es gab nur Lehrerinnen, keine Lehrer. Auffallend war, daß so viele der Lehrerinnen adlig waren: Meine erste Klassenlehrerin war Fräulein von Puttkammer, von uns Kindern ,,Puttchen" genannt, die sehr hübsch war - wie uns unsere Eltern mitteilten. Denn wir hatten für so etwas noch keinerlei Sinn. Ferner war da Fräulein von Manstein, die als "streng" galt, - aber das war ein relativer Begriff, denn im Vergleich zum Gymnasium Zehlendorf, in das ich Ostern 1919 aufgenommen wurde, ging alles sehr freundlich und milde zu. Ein Fräulein von Türckheim, eine ältliche Dame, gab Gesangsunterricht. Die anderen, an die ich mich erinnere, waren bürgerlicher Herkunft: Frl. Müthing, besonders beliebt, Frl. Albrecht, Frl. Dallwig für den Turnunterricht, und natürlich die Vorsteherin, Fräulein Lehwess, eine ernste, stille Person, die nie ihre Stimme erhob, aber großen Respekt einflößte. Die Morgenandacht am Montag leitete sie immer persönlich.Mit ganz wenigen Ausnahmen stammten die Schülerinnen und Schüler aus gutbürgerlichen, kaisertreuen Kreisen, und natürlich schlugen die Wellen des Patriotismus überall hoch, da der Weltkrieg alles überschattete. Ich kann mich aber an keine ausgesprochen feindselige Bemerkung seitens der Lehrer oder Mitschüler anlässlich der "Revolution" (es war ja kaum eine) von 1918 erinnern. Auch das war auf dem Gymnasium Zehlendorf ganz anders. Wohl aber erinnere ich mich, daß, wohl Anfang 1919, unsere Klassenlehrerin Frl. Albrecht eines Morgens weinend in die Klasse kam, weil die Forderung der Entente auf Auslieferung der sogenannt deutschen Kriegsverbrecher gerade bekannten geworden war. Diese ist ja dann nie in die Tat umgesetzt worden.Unter meinen Klassenkameraden befanden sich "Edda" Reinsch, die Tochter des Nikolasseer Bürgermeisters, - denn Nikolassee war damals noch selbstständige Gemeinde, kam erst 1920 zu Groß-Berlin - und Eva Sachs, Tochter eines bekannten Musikwissenschaftlers, sowie Hans Bornemann, Bruder des später bekanntgewordenen Architekten Prof. Fritz B., der auch diese Schule besucht hat, und zwei Söhne des Nikolasseer Pfarrers Hollmann.Ich glaube, daß der Unterricht, den wir erhielten, sehr gut war. Disziplin war jedenfalls damals, bei den wohlerzogenen Kindern der Schule, kein Problem. Ich habe die Schule in sehr guter Erinnerung und glaube, daß fast alle früheren Schüler sie in guter Erinnerung haben. Joe H. Kirchberger, New York USA