Wie war das noch...

damals, als wir in London-Gatwick gelandet waren und nun bald unseren Gastfamilien gegenüberstehen sollten? Meine freudige Aufregung schlug schnell in Panik um beim Gedanken daran, in wenigen Minuten auf mich selbst gestellt, meinen Englischkenntnissen hilflos ausgeliefert zu sein.Die Engländer entsprachen auf den ersten Blick meinen klischeehaften Vorstellungen, die Begrüßung fiel etwas steif aus und auf der 1 1/2 stündigen Fahrt nach Forest Hill machten meine Gastfamilie und ich der Bedeutung des sprichwörtlich gewordenen "Small Talks" alle Ehre.Doch noch am selben Abend mußte ich feststellen, daß hinter der von mir fehlgedeuteten Zurückhaltung wahre Gastfreundschaft steckte: man hatte mir in der sehr beengten Wohnung ein ganzes Zimmer überlassen, während sie die nächsten 10 Tage zu dritt im Ehebett verbringen würden. Man kümmerte sich wirklich rührend um mich während der folgenden Tage.Manchmal wurde ich das beschämende Gefühl nicht los, daß die finanzielle Mehrbelastung, die mein Besuch verursachte, an anderer Stelle zu spüren war und sie es sich trotzdem nicht nehmen ließen, mich ins Theater oder zum Essen einzuladen.Es entwickelte sich eine Freundschaft, die auch heute, nach 6 Jahren, noch besteht. Ich fand es sehr spannend, Gast im Alltagsleben einer anderen Familie zu sein, gerade auch durch die bestehenden sozialen Unterschiede zwischen Forest Hill und Zehlendorf. Auch wenn ich bei einem zweiten Besuch bei "meinen" Engländern nach dem Abitur feststellen mußte, daß mir mit 15 SO manches bißchen Sensibilität gefehlt hat, denke ich, daß alle Teilnehmer des Austausches die Chance hatten, neben den schönen Eindrücken von London wichtige menschliche Erfahrungen mit nach Hause zu nehmen.Annette Krämer (Abi 90)